Gebrauchtkinder

 

Gebrauchte Autos fahren auf allen Straßen. Niemand sieht ihnen an, ob die Besitzer sie fabrikneu gekauft haben oder, meist deutlich billiger, von einem Vorbesitzer erwarben. Viele andere Dinge des täglichen Lebens kann man auch gebraucht bekommen. Möbel oder Kleidung gehören dazu und alles andere, was man auf dem Flohmarkt oder bei ebay erwerben kann.

Aber Kinder? Gibt es auch gebrauchte Kinder?

Ja, durchaus. Alle Kinder, die neben ihren natürlichen Eltern zu weiteren Eltern Vater oder Mutter sagen, sind für diese letztlich gebrauchte Kinder.

Das können insbesondere Kinder sein, die mit neuen Partnern der Mutter oder des Vaters zusammenleben und in deren Leben somit ein weiterer Elternteil, ein sozialer Elternteil ("Stiefeltern"), hinzugekommen ist. Das können auch adoptierte Kinder sein oder Pflegekinder, die in Familien leben, in denen sie wie bei ihren natürlichen Eltern aufwachsen sollen.

Sieht man diesen Kindern an, dass sie Gebrauchtkinder sind? Nein, eigentlich nicht. Woran auch? Die Gebrauchtkindereltern bemühen sich in der Regel darum, dass es nicht auffällt, dass diese Kinder Gebrauchtkinder sind. So wie die Besitzer von Gebrauchtwagen nicht gerne ungefragt betonen, dass ihr Auto schon einen früheren Besitzer hatte.

Im Gegenteil, die Eltern von Gebrauchtkindern bemühen sich meist angestrengt, den Eindruck zu erwecken, dass die gebrauchten Kinder ihre eigenen sind.

Wenn ein Elternteil nach einer Trennung der Eltern mit einem neuen Partner zusammen zieht, kommt auch das Kind, das mit der Mutter zusammen lebt, in diese neue Partnerschaft. Ich rede im weiteren von den Müttern, da es meist die Mütter sind, bei denen die Kinder nach einer Trennung bleiben. Im umgekehrten Fall, wenn ein Kind beim Vater bleibt, ist die Situation letztlich die gleiche, auch wenn ich der besseren Lesbarkeit wegen dies hier nicht besonders erwähne.

Bei einer Trennung wird der bisherige Partner entliebt, oftmals artet das in einen regelrechten Trennungskrieg aus. Wenn dann die Eltern nicht zwischen der beendeten Partnerschaft und der eigentlich nicht auflösbaren Elternschaft unterscheiden können, werden häufig betroffene Kinder in den Trennungskrieg hinein gezogen. Der getrennt lebende Partner wird herabsetzt, der Umgang zwischen Vater und Kind verhindert und im schlimmsten Fall wird der Vater entsorgt.

Wenn nun die Mutter mit dem neuen Partner eine neue Familie gründen will, entsteht häufig das Bedürfnis, nach außen hin den Anschein zu erwecken, der neue soziale Vater sei der "richtige". Über eine Einbenennung bekommt das Kind den neuen Familiennamen und Außenstehenden wird vorgespielt, diese Familie sei eine natürlich gewachsene. Tatsächlich aber ist der neue Vater der soziale Vater eines Gebrauchtkindes.

Die Steigerung dieses Geschehens ist die Stiefkindadoption. Hier wird der tatsächliche Vater des Kindes derart entsorgt, dass er nach dem Gesetz nicht einmal mehr mit seinem Kind verwandt ist. Durch die Adoption wird der soziale Vater zum Vater des Kindes erhoben. Es entsteht der Anschein, der Adoptivvater sei der biologische Vater des Kindes. Das wird dadurch unterstützt, dass der Staat sogar eine letztlich falsche Geburtsurkunde ausstellt, in die mit dem Datum der ersten Geburtsurkunde die fälschliche Vaterschaft eingetragen wird. Der neue Vater des Kindes mag nun scheinbar der "richtige" Vater des Kindes sein. Dennoch ist der Adoptivvater der Vater eines Gebrauchtkindes.

Der Wunsch nach einem eigenen Kind bei Paaren, eingetragenen Partnern und Einzelpersonen führt oft zur Adoption eines Kindes. Wenn auf dem deutschen Adoptionsmarkt nicht genügend Kinder zur Verfügung stehen, werden auch Kinder aus anderen Ländern adoptiert. Nach der Adoption sind die Kinder nicht mehr mit ihren tatsächlichen Eltern verwandt. An deren Stelle werden die Adoptiveltern als Eltern eingesetzt. Aber auch hier sind die Adoptiveltern die Eltern eines Gebrauchtkindes.